Bereits im Jahre 1743 wird „vor der Stadt, beim Georgii-Hospital gelegen“ eine Gastwirtschaft und Umspanne „Am Auerhahn“ errichtet. Als Umspanne wurde eine Station bezeichnet, wo Postkutschen ihre Pferde wechselten. Eine Umspanne war auch immer mit einer Gastwirtschaft verbunden und so war diese „Am Auerhahn“ um 1798 im Besitz eines Gastwirtes Namens Joh. Andr. Kühne. 1848 wurde im Garten, neben der Gastwirtschaft eine Cichorienfabrik von I.C. Randolff und Sohn gegründet, welche bis 1870 bestand.
Am 19. Mai 1872 wurde die Gastwirtschaft unter Einbeziehung der alten Cichorienfabrik von Robert Hoppe als Brauerei und Biersallon neu eröffnet. Dieser Tag kann also mit Recht als die Geburtsstunde der Hasseröder Brauerei angesehen werden. In manchen Ausführungen heißt es zwar, das es bereits um 1866 hier am Auerhahn die Brauerei eines Herrn Kappelmeyer, bzw. von der Witwe Kappelmeyer gegeben haben soll. Jedoch konnte ich keinen hintergründigen Nachweis darüber finden, im Gegenteil, man findet im Wernigeröder Intelligenzblatt vom 7. April 1866 eine Anzeige, das H. Kappelmeyer die Brauerei von F. Thormann in der Breiten Straße übernommen hat. Im Mai 1866 erschien dann die Anzeige, das er noch eine Restauration in diesem Gebäude eingerichtet hat. Nun auch mit der Adresse Breite Straße 699 benannt, was heute der Nr. 16 entspricht. 10 Jahre später, am 30 September 1876 ist ein Richard Günther zu finden, der eben diese Restauration von der Witwe Kappelmeyer übernommen hat.
Aber kehren wir nun zurück zum Auerhahn, wo es kein leichter Anfang für die Brauerei war, sodas Robert Hoppe die Leitung im Jahre 1875 abgab. Hier taucht nun der Name Kappelmeyer auch am Auerhahn auf, denn als neue Inhaber werden Wilhelm Kappelmeyer & Emanuel Köhler genannt. Aber auch ihre Zeit währte nicht lange, denn der Besitzer des Grundstücks auf dem die Brauerei lag, Ökonom Franz Schulz, nahm ihnen die Leitung aus der Hand, um diese mit seinem Sohn selber zu übernehmen. Sein Sohn war 1883 zweiter Bürgermeister und 1887 bis 1898 erster Bürgermeister unserer Stadt. Der Anfang sah zwar erfolgversprechender aus als unter der bisherigen Leitung, dann klappte es aber mit der Brauerei doch nicht so gut, so dass der ehemalige Brockenwirt Köhler helfend in die Leitung eingriff. Da dies aber noch immer nicht viel nützte beteiligten sich noch weitere Männer an dem Geschäft. Unter dem Namen „Haselhorst, Pieper & Co.“ waren nun sechs Männer um besseres Bier und besseren Absatz bemüht. Der einzigste Erfolg jedoch war, dass man nun das noch immer schlechte Bier „Sechsmänner-Bier“ nannte und spöttisch sagte „Hopfen und Malz – Auerhahn behalt’s“. Bereits im Jahre 1880 stand die vor kurzem erst neueingerichtete Dampfbrauerei zum Verkauf. Ein aus Nordhausen stammender Brauer Namens Kindervater versuchte kurz sein Glück, aber ebenfalls erfolglos.
Erst als Ernst Schreyer am 1. Oktober 1882 die Leitung der Brauerei übernahm, stellte sich der Erfolg ein. In Wernigerode erkannte man nun den guten Geschmack des Bieres. 1893 erfährt die Brauerei eine größere bauliche Erweiterung, so das die Jahresproduktion auf 1500 Hektoliter gesteigert werden konnte. Als 1896 der Besitzer Ernst Schreyer wegen Krankheit die Brauerei aufgibt, wird der Betrieb am 1. Oktober des Jahres, bei gleichbleibendem Namen, in die „Schreyersche Bierbrauerei Aktien Gesellschaft“ umgewandelt. Die Führung übernimmt die Halberstädter Bank „Mooshacke – Lindemann und M. Helft“. Erst 20 Jahre später verschwindet auch der Name des früheren Besitzers Schreyer aus dem Namen der Brauerei. Ein grundlegender Ausbau der Brauerei wurde durchgeführt. So wurde unter anderem eine große Eis- und Kühlanlage aufgestellt, die es ermöglichte, auch während der warmen Jahreszeit, insbesondere in eisarmen Jahren, die hergestellten Biere immer auf der Stufe einer möglichst guten Qualität zu erhalten. Dazu wurde 1898 das benachbarte Grundstück der ehemaligen Käsefabrik von Herrn Bergmann gekauft.
Ab 1899 wurde ein hier gebrautes Bier mit fürstlicher Genehmigung „Fürstenbräu“ genannt. Weitere interessante Biernamen tauchen mit der Zeit auf. So gab es zum Beispiel im Frühjahr 1907 ein „Eingemeindungs-Bier“, wie in der Anzeige des „Restaurant Ratskopf“ vom März 1907 zu lesen ist. Dieses Bier gab es anlässlich der Feier zur Eingemeindung von Hasserode zu Wernigerode. Im Jahre 1911 findet man eine Anzeige für das „Pankgrafenbräu“. Es wurde zu Ehren eines Besuchs der „Pankgrafen“, einer Spaßgesellschaft aus Berlin, in Wernigerode, so benannt.
Um die Zeit der Jahrhundertwende gab es allerdings noch 5 weitere Brauereien in Wernigerode. So brauten Heinrich Kaufmann in der Breiten Straße 23, Paul Knauer in der Breiten Straße 74 (ehemals Hermann Spilke), Christian Friedhoff in der Burgstraße. 43, August Marquart in der Büchtingenstraße 10 und Paul Joch in der Schlossbrauerei, Mühlental 6 ihr Bier.
Auch war die Konkurrenz durch Brauereien anderer Städte, die versuchten hier Fuß zufassen, sehr groß. Neben der Schreyerschen Brauerei überlebte nur Marquart mit seiner Brauerei und die Schloßbrauerei den ersten Weltkrieg. Allerdings wurden die beiden letzteren Bertiebe auch ein paar Jahre später aufgegeben.
Da im ersten Weltkrieg der Absatz stark zurückging und das Geld knapp war, wurde 1916 die bisher Schreyersche Brauerei in „Hasseröder Bierbrauerei AG“ umgeändert und bleibt später nun als einzigste Brauerei in Wernigerode bestehen. Immer bestrebt neue Biersorten und Spitzenqualitäten zu entwickeln und zu produzieren und immer auf Erweiterung und stetige Modernisierung bedacht. Laut Produktionsprotokollen stieg erstaunlicherweise gerade während der Inflationszeit der Bierkonsum deutlich an. Erst der zweite Weltkrieg brachte auch diesem Betrieb wieder schwere Rückschläge.
Fortsetzung folgt.