Nach jahrelangen vergeblichen Versuchen der Wernigeröder Sozialdemokraten, einen passenden Versammlungsort zu finden, gelang es 1893 unter der Leitung des Malers Albert Bartels ein eigenes Versammlungslokal, den „Volksgarten“, zu errichten.
An der Ecke zwischen Feldstraße und Schmatzfelder Straße, auf dem Gelände der früheren Schmelzer’schen Sägemühle wurde am 1. Mai 1893 zum erstenmal im Rohbau des eigenen Hauses gefeiert. Am 20. August 1893 war der Bau des „Volksgartens“ fertig gestellt und war damit das erste der sogenannten „Volkshäuser“ oder „Volksparks“ der Sozialdemokratischen Partei in Deutschland, das aus eigenen Mittel errichtet werden konnte. Der Saal fasste 300 Personen, der Garten mehr als 1000 Personen.
Die Verwaltung des Wirtschaftsbetriebs lag in der Hand eines gebildeten Vereins, des „Verein Arbeitercasino Wernigerode a. H.“. Bei seiner Gründung zählte der Verein 117 Mitglieder. Die Aufgabe des Vereins war es, Versammlungen, Vergnügen und Festlichkeiten zu veranstalten und guter Speisen und Getränke den Mitgliedern und deren Familienangehörigen zum Selbstkostenpreis anzubieten, denn eine Gewinnerzielung für die Mitglieder oder für den Verein sollte ausgeschlossen werden. Das Einrittsgeld für die Veranstaltungen betrug 10 Pfennig, die vierteljährlichen Beiträge für die Mitglieder 25 Pfennig.
In späteren Gewerbeakten findet man verzeichnet, dass am 6. Juli 1906 Malermeister Albert Bartels genehmigt wird, im Volksgarten eine Schankwirtschaft mit Ausschluss des Verkaufs von Brandwein bei Veranstaltungen zu betreiben. Im Jahre 1908 erfolg ein Um- und Erweiterungsbau des „Volksgartens“.
In den ersten Wochen des Januars 1921 wurde der „Volksgarten“, als erstes Parteilokal der Sozialdemokraten in Wernigerode, verkauft.Es bot sich die Gelegenheit das die hiesigen Gewerkschaften das Hotel „Monopol“ kaufen konnten (siehe vorhergehende Bericht). Neuer Eigentümer des Grundstücks Feldstraße 55 wird Heinrich Möhring, der in dem ehemaligen „Volksgarten“ eine Kupferkessel-Fabrik, Apparate- und Rohrleitungsbau einrichtet. Zuvor hatte er am 16. Mai 1907 die 1887 gegründete Kupferkesselfabrik von Friedrich Förster in der Schmatzfelder Straße 4 übernommen.
Am 1. Juli 1923 nimmt Heinrich Möhring die Fabrikation und den Vertrieb von Dratstiften und Nägel auf, was er nach 7 Jahren zum 1. Juli 1930 wieder aufgibt. 1931 verkauft er die Firma an Dr. Valentin Retterath aus Ilsenburg, der sie nun als Maschienenfabrik „Phönix“ weiterführt. Er läst eine neue Fabrikzufahrt von der Schmatzfelder Straße herstellen. Damit ändert sich auch die Postanschrift von Feldstraße 55 nun in Schmatzfelder Straße 9 a.
Zum 1. Januar 1935 verkauft er die Fabrik wieder, allerdings unter gleichbleibendem Namen an die neuen Inhaber Hackenbracht und Otto. Er selber bleibt Grundstückseigentümer.
Zur Kriegs- und Nachkriegszeit ließen sich bisher keine schlüssigen Nachweise finden.
1950 wurde die Schmatzfelder Straße in Mitschurinstraße umbenannt. In dieser Zeit wurden auf dem Grundstück Nr. 9a die VE Kommunale Dienstleistungsbetriebe Wernigerode / Harz, die spätere Stadtwirtschaft untergebracht.
Für die gute Unterstützung möchte ich mich beim Stadtbauamt und bei Herrn Ralf Mattern bedanken.
Informationen über die Wernigeröder Sozialdemokratie und auch den „Volksgarten“ findet man in dem Buch von Ralf Mattern: „Die schwarze Grafschaft ist rot!“ oder „…die im Stande sind, alle Dinge nüchtern, kühl und sachlich zu betrachten!“ – Die Chronik der Wernigeröder Sozialdemokratie 1848 – 2005 (Broschiert, 632 Seiten),
Verlag: Books on Demand GmbH; Auflage: 1 (September 2005)
ISBN-10: 3833435216, ISBN-13: 978-3833435218